luni, 17 februarie 2014

Hier fließt gleich Jede Menge Blut. Szene aus dem chinesischen Kriminalfilm Black Coal, Thin Ice, der bei der Berlinale 2014 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde

Bei der 64. Berlinale hat der chinesische Thriller Black Coal, Thin Ice abgeräumt.

Bei den Filmfestspielen in Berlin hat der Thriller des chinesischen Regisseurs Diao Yinan gleich zwei Bären eingeheimst: Einen für den besten Film und einen für die beste männliche Hauptrolle.
Foto: Festival.

Der Goldene Bär für den chinesischen Krimi Schwarze Kohle, dünnes Eis? Nunja, die Berlinale-Auszeichnung ist nicht so überraschend, wie sie erscheint. Trotzdem hätten andere Filme die Trophäe eher verdient gehabt.

Diesen Namen hatte niemand auf dem Zettel: Die Entscheidung der diesjährigen Berlinale-Jury, den chinesischen Regisseur Diao Yinan für seinen Film Bai ri yan huo (Schwarze Kohle, dünnes Eis) mit dem Goldenen Bären auszuzeichnen, löste zunächst Erstaunen aus. Dieser 44.jährige Filmemacher aus der zentralchinesischen Provinz Shaanxi sollte nach dem Urteil der Juroren tatsächlich die US Regiegrößen Richard Linklater und Wes Anderson hinter sich gelassen haben? Hat sich das Preisgericht da nicht unter Umständen geirrt?
Man kann die letzte Frage mit einem klaren Ja, aber auch mit einem ebenso klaren Nein beantworten. Zur Fraktion der Ja, Sager dürften diejenigen gehören, denen es vor allem um den Preis für den besten Film geht. Und den Berlinale Hauptpreis hätten sowohl Wes Anderson für seine Nostalgie Fabel Grand Budapest Hotel als auch Richard Linklater für seine Langzeit Experiment Boyhood redlich verdient gehabt.
Anderson zündet im Budapest Hotel mal wieder eines seiner Phantasie-Feuerwerke, das nach Meinung so manchen Berlinale-Gängers bislang sogar sein bestes war. Und auch Linklater hat in Boyhood seine Stärken weiterentwickelt. Dass er seine profunde Menschenkenntnis in hinreißende Dialoge zu verpacken versteht, weiß man seit der Sunrise, Sunset, Midnight und Trilogie, die er über einen Zeitraum von 18 Jahren spannte.
Diesen wirkungsvollen Zeit-Effekt reizt er in Boyhood nun noch stärker aus, indem er ein Kind zum Hauptprotagonisten erklärt, dem wir buchstäblich beim Erwachsenwerden im echten Leben zusehen können, weil Linklater den Film mit den immerselben Schauspielern über einen Zeitraum von zwölf Jahren drehte. Allein dieses Wagnis einzugehen, wäre fast schon einen Goldenen Bären wert gewesen.

Passend zur Ahnengalerie.

Doch die beiden Texaner hatten ein Problem: Ihre Stoffe waren für einen Berlinale. Triumph einfach viel zu leicht. Ein Märchen wie Grand Budapest Hotel ist in Berlin zuletzt 2002 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet worden  damals bekam ihn der Japaner Hayao Miyazaki für seine Ausnahme Fantasy Animation Chihiros Reise ins Zauberland. Und dass gar ein humorvolles Drama wie Boyhood in Berlin mit dem Hauptpreis prämiert worden ist, liegt noch länger zurück. Ang Lee gelang das 1995 mit Sinn und Sinnlichkeit.
Berlin, das im Vergleich mit Cannes und Venedig als das politischste der drei Großfestival gilt, liebt vielmehr die schweren Themen. Dass Miyazaki seinen Goldenen Bären 2002 mit Paul Greengrass teilen musste, wirkt symptomatisch. Der Brite bekam den Preis für ein Bürgerkriegsdrama mit dem sprechenden Titel Bloody Sunday.
Dies ausgeführt, erneut die Frage. Hat sich diese Jury geirrt? Nein, könnte man auch antworten. Sie hat zwar nicht den besten Film ausgezeichnet, aber immerhin den besten Wettbewerbs Beitrag, der auch zur Ahnengalerie der Goldenen Bären Preisträger passt. Eine Entscheidung eher für etwas die Tradition als gegen etwas die reine Qualität.

Trostpflaster und Kompensationen.

Die Entscheidung war also keineswegs überraschend, wenn man all diese Aspekte berücksichtigt: In dem insgesamt schwachen Wettbewerb dieses Festivaljahrgangs ragte der blutige Kriminalfilm Schwarze Kohle, dünnes Eis unter den schwereren Filmen nämlich tatsächlich positiv heraus. Regisseur Yinan schafft es, das uns vertraute Genre des Neo Noir Films mit der für uns doch sehr fremden Welt der nordchinesischen Provinz glaubwürdig zu verknüpfen. Und als politischer Kommentar zur Situation im heutigen China kann sein Film ebenfalls verstanden werden.
Unter den weiteren ausgezeichneten Filmen war tatsächlich fast all das zu finden, was in diesem Jahr preiswürdig war. Wes Anderson und Richard Linklater dürfen ihre Auszeichnung mit dem Grand Prix beziehungsweise mit dem silbernen Regie-Bären als Trostpflaster dafür betrachten, dass ihnen der ganz große Triumph versagt blieb.
Die Auszeichnung von Anna und Dietrich Brüggemann mit dem Silbernen Drehbuch Bären für Kreuzweg ging insgesamt in Ordnung. Mehr Filme dieser Qualität wurden bei dieser Berlinale vermisst.
Fragwürdiger erschien die Entscheidung, die Japanerin Haru Kuroki in Chisai Ouchi (The Little House) zur besten Schauspielerin zu küren. Ihre Darbietung blieb im Vergleich mit der Leistung der 14.jährigen deutschen Nachwuchsentdeckung Lea von Acken in Kreuzweg arg blass. Und auch Patricia Arquette wusste als lebenskluge Mutter in Boyhood mehr zu überzeugen.
Womöglich suchte die Jury mit der Entscheidung für Kuroki nur nach einem Weg deren Regisseur Yoji Yamada wenigstens indirekt in der Liste der Geehrten unterzubringen. Das Kammerspiel des japanischen Altmeisters war ein grundsolider Ausflug in die höhere Tokioter Gesellschaft der 1940 erJahre, der anscheinend nicht völlig unter den Tisch fallen sollte.
Doch auch Kompensationsentscheidungen haben bei Jurys eine lange Tradtion. Und das in solchen Fällen nicht nur bei der Berlinale.

Editor: Julian Obidiu B APPF

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